Die Formatdiktatur
Als ich im Jahr 3 b.Y. (before Youtube) 
meinen Abschluss an einer
deutschen Filmhochschule machte, 
lernte ich das Handwerk für eine Handvoll möglicher Erzählformate: 
Beispielsweise den Kurzfilm, Imagefilm 
oder Werbefilm. 

Wir kommen aus einer medialen Zeit, 
in der Content für bestimmte Formate 
generiert wurde und wird. 
Bisher haben Verlage, Sender 
und Medienproduzierende 
in Büchern, Sendeplätzen, 
Kinoslots, DVD- und Bluray-Auswertungen und deren Formatkorsette gedacht.

Das Format bestimmte den Inhalt.
Was passt ins Vorabendprogramm? 
Was auf den Freitagabend 
um 20:15 Uhr? 
Welche Romcom platzieren wir im Kino 
parallel zum neuen James Bond? 
Das ist die Suche nach Inhalten 
für feste Formate. 
Das Format definiert Inhalt, Genre, Tonalität, Filmlänge und meist noch ein ganzes 
Regelwerk an Vorgaben. 
Ein Formatkorsett, in das Geschichten 
hineingeschrieben werden.

Die Freiheit vom Formatkorsett -
vom Formatbusiness zum IP/Weltenbusiness

Somit ist der vielleicht wichtigste Schritt für Medienschaffende, 
den
Content vom Erzählformat 
getrennt zu behandeln.

Gedanklich aus den Dogmen der Erzählformate auszubrechen und erstmal die Frage zu stellen, welches Potential in einer Geschichte oder einem Spiel liegen und in welchen Formaten die jeweiligen Rezipienten aktuell unterwegs sind.
Genau hier beginnt das 
Pre-Development und hier kommt 
das
Worldbuilding ins Spiel, 
in dem alle Elemente einer Geschichte oder eines Spiels angelegt werden, bevor es zur Entwicklung medialer Formate kommt.
Denn egal in welcher Expertise Sie unterwegs sind, am Ende geht es doch um die Kommunikation von Inhalten an Rezipienten und die Frage: 
Wie erreiche ich meine Rezipienten und Communities über welchen Weg und wie kann ich dauerhaft von Interesse für diese Rezipienten sein und ggf. sogar Communities um meinen Content aufbauen?

Somit sind Geschichtswelten 
in der heutigen, medialen Welt 
gar nicht mehr weg zu denken.


Wir befinden uns bereits mittendrin, ohne dass wir den Wald 
vor lauter Bäumen sehen.

Bubbles – unser digitales Wohnzimmer
Wo wir im Realraum unsere Möbel, Bilder und Dekorationen wählen, 
die unsere Persönlichkeit widerspiegeln verfahren wir ähnlich im digitalen Raum: 
Wir treffen uns mit Freunden und Gleichgesinnten (Communities), 
abonnieren bestimmte Kanäle, folgen bestimmten Personen 
und tauchen in Spiele- und Geschichtswelten ein, 
die mit unseren Werten harmonieren. 
Das gibt uns ein sicheres Gefühl von Identität und Kontinuität 
in einer komplexen und unvorhersehbaren Welt.

Die strategische Frage für Medienschaffende
Wie sinnvoll ist es in so einer medialen Welt mit einzelnen Formatproduktionen (ein Film, ein Kurzfilm, ein Werbefilm, ein Branded-Short, eine Kurzgeschichte, eine Graphic-Novel oder ein Spiel) zu solchen Rezipientengruppen oder Communities vordringen zu wollen?

Wäre es nicht ökonomischer und effektiver, spezifisch in solche Bubbles mit Spiel- oder Geschichtswelten durchzudringen, aus denen man diverse wiederkehrende Formate und Formatserien entwickeln kann?

Diese Frage sollten sich alle Medienschaffenden stellen. Seien es Filmschaffende, Games-Entwickler, Graphic-Novel-Designer, Werbetreibende, Kommunikationsagenturen, Journalisten, Dokumentarfilmer, oder klassische Romanautoren.
Der heutige Medienmarkt: Vom Format- zum IP-Geschäft
Netflix, Amazon Prime Video, Disney+ oder Steam – moderne Mediendistributoren suchen Geschichtswelten/IPs (Intellectual Properties) und deren Communities, für die sie passende Inhalte produzieren können. Ob Filme, Serien, Spiele, Prequels, Sequels oder Spin-offs – der moderne Medienmarkt hat sich weg vom Formatgeschäft hin zum IP-/Weltengeschäft entwickelt.
So wie es ein erfahrener Autor zu Mark J. P. Wolf gesagt hat:
„Als ich anfing, hat man eine Geschichte gepitched, weil man ohne eine gute Geschichte keinen guten Film hatte. Später, als Fortsetzungen aufkamen, pitchte man eine Figur, weil eine gute Figur mehrere Geschichten ermöglicht. Und jetzt pitcht man eine Welt, weil eine Welt mehrere Geschichten über mehrere Medien hinweg ermöglicht."

Entsprechend sehen auch die Listen der erfolgreichsten Filme und Spiele, Comics und Graphic Novels aus. Dort finden sich fast ausschließlich Projekte, die in bestehenden IPs/sekundären Welten spielen, Sequels, Prequels oder Spin-offs sind oder eine große Community haben.
In den USA wird heute kaum mehr ein Blockbuster, Spiel oder Comic entwickelt, der sich nicht auch als Storyworld/IP eignet. Oftmals kommen Filme, Spiele und Comics auch aus derselben IP, wie beispielsweise The Last of Us, Uncharted, Resident Evil, Tomb Raider, The Sandman, Star Wars, oder Warcraft.
Worldbuilding ist zu einem Produktionsstandard großer Studios geworden.
Neue mediale Formate werden größtenteils aus bestehenden Storyworlds/IPs entwickelt. Dadurch ist das Aufbauen und Erweitern von Geschichtswelten im modernen Medienmarkt zu einem wichtigen, erzählerischen Handwerk für alle Arten von Medienschaffenden geworden. Egal ob Roman- oder Drehbuchautoren, Spieleentwickler, Graphic Novel Designer, Produzenten oder Distributoren.

Vorteile des Worldbuildings für Medienschaffende
Der ökonomische Aspekt des Worldbuildings Formatbusiness bedeutet: 
Jedes Erzählformat muss von Beginn an (vor)finanziert und verkauft werden. Verlage müssen Bücher bewerben und auf eigene Kosten vorproduzieren – mit offenem Verkaufserfolg. Filmproduzierende müssen Stoffe auf eigene Kosten vorentwickeln und in aufwändige Präsentationen verpacken, die sie dann bei Förderanstalten, Sendern, Distributionsplattformen, Verleihern, Studios etc. einreichen. Dabei konkurrieren sie in einem überquellenden Becken aus Stoffen in einem kleinen, überschaubaren Markt.
Der Druck im Markt ist groß. Ein zeit- und kostenintensiver Prozess mit Fragezeichen am Ende, ob das Format jemals produziert und verkauft werden wird. Dasselbe gilt auch für viele andere Formate, seien es Spiele, VR-Anwendungen oder Graphic-Novels, um nur einige wenige zu nennen.

Hat man es dennoch geschafft, das Projekt zu verkaufen, folgen neben der Produktion im besten Fall auch noch die Planungen für das Marketing (falls noch Budget dafür vorhanden ist). Insgesamt ist der Aufwand für die Entwicklung, Produktion, Distribution und das Marketing enorm. Und er muss für jedes neue Projekt wiederholt werden.
Erschafft man hingegen eine Geschichtswelt und produziert Formate aus dieser Welt heraus, so hat man anfangs zwar denselben Aufwand und dieselben Risiken wie bei einer Formatproduktion. Allerdings können alle weiteren Formate aus derselben Welt mit einer anderen Verhandlungsbasis im Markt und bei Distributoren angeboten werden, weil man auf die bestehenden Formate und deren vorhandene Community aufbauen kann. Im besten Fall wartet die Community bereits auf neue Formate aus der Geschichtswelt. Geldgebern, Studios, Verleihern oder Streamingplattformen ist die Welt ebenfalls bekannt. Das schafft eine völlig andere Verhandlungsbasis und Verkaufsperspektive.
Das Spannungsfeld zwischen unserer 
und der erschaffenen Welt

Eine der wichtigsten Vorteile einer Geschichtswelt ist der Nährboden einer Spiele- oder Geschichtswelt. Wer denkt schon über den narrativen Nährboden einer Geschichte nach?
Meist spielen die Geschichten in der Welt, die man eben kennt. Aber vielleicht gibt es einen Nährboden für das Thema der Geschichte, die der Geschichte zu mehr Spannung verhilft?

Hier hilft besonders eine zentrale Frage: Was möchte man in unsere heutige Welt spiegeln?

Mit dieser Frage kann man das Fundament einer Spiele- oder Geschichtswelt aufbauen, noch bevor man überhaupt Plots oder die Geschichte selbst entwickelt hat.

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